Buchvorstellung von Markus Bötefür
Heute bevölkern rund 5500 Säugetierarten die Erde. Kaum eine davon sucht die Gesellschaft des Menschen. Dass es ausgerechnet bei Füchsen anders ist, mag viele Menschen überraschen. In ihrem 2020 erschienen Buch „Füchse. Unsere wilden Nachbarn“ beschreibt die englische Ökologin Adele Brand nicht allein das Sozialverhalten dieser uns scheinbar vertrauten und doch so fremden Tiere, sondern geht auch der spannenden Frage nach, ob es dem Menschen überhaupt gelingt, sich dem von Füchsen ausgehenden „Wunsch“ eines Zusammenlebens zu widersetzen.
Die am weitesten verbreitete Raubtierart
Auf nur 208 Seiten erfahren auch mit der Biologie und Lebensweise von Füchsen bereits vertraute Leser Erstaunliches: So begann die Entwicklungs- und Verbreitungsgeschichte der reiselustigen Tiere vor rund 50 Millionen Jahren auf dem Gebiet des heutigen Texas und dauert unvermindert an. Rotfüchse sind heute in 83 verschiedenen Ländern heimisch und stellen damit die am weitesten verbreitetere Raubtierart auf unserem Planeten dar. Allein in Großbritannien wird ihre Zahl auf knapp eine halbe Millionen Exemplare geschätzt, wobei einige sogar in die Londoner City vorgedrungen sind und dort dauerhaft leben.
Gespaltenes Verhältnis der Menschen zum Fuchs
Dass Füchse nicht erst seit ihrem Auftreten als schlechte Verlierer in den Fabeln Äsops und als Käsediebe bei Jean de la Fontaine einen Platz im europäischen Mensch-Tier-Verhältnis zugewiesen bekamen, sondern wohl schon in der Steinzeit aus eigenem Antrieb den Kontakt zum Menschen suchten, dürfte bislang nur wenig bekannt sein. Füchse, so betont Adele Brand, erzeugen bei Menschen vier Reaktionen: Angst, Hass, Leidenschaft und Freundlichkeit. Dabei sind sie im Grunde sehr genügsame Tiere. Einem ausgewachsenen Exemplar reicht zum Überleben eine Ratte täglich oder einen Doppel-Cheeseburger mit Pommes frites. Und eins von beiden ist, wie die Autorin weiß, auch in den trostlosesten Städten zu finden. Sind die in unseren Städten und Dörfern auftauchenden Füchse die Vorboten einer sich ankündigenden neuen Mensch-Fuchs-Beziehung, die wir mit unserem Müll aus Essensresten im wahrsten Sinne des Wortes anfüttern?
Fast Food statt Mäuse
Das außergewöhnliche Buch stellt die spannende Frage danach, ob Füchse irgendwann die Rolle von Hunden als Begleiter des Menschen einnehmen werden. Von den frühen Proto-Hunden bis zur kaum überschaubaren Vielzahl unserer heutigen Haus- und Gebrauchshunderassen hat dies rund 36 Jahrtausende gebraucht. Die Initiative zur Gründung dieser erfolgreichen Symbiose scheint, so erläutert Adele Brand anhand jüngster wissenschaftlicher Erkenntnisse, jedoch nicht wie lange angenommen vom Menschen, sondern von frühen Hundearten (bzw. Wölfen) angegangen zu sein. Ähnliches Verhalten beobachteten sie und ihre über den ganzen Globus verteilten Mitstreiter in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt bei im urbanen Raum lebenden Füchsen, von denen viele mittlerweile lieber Reste von Fastfood als Mäuse vertilgen.
Vertraute Mensch-Fuchs-Beziehungen in außereuropäischen Kulturen
Als neu scheint die Annäherung des Fuchses jedoch nur von Europäern empfunden zu werden. In anderen Kulturkreisen herrscht schon seit vielen Generationen eine sehr enge und vertraute Mensch-Fuchs-Beziehung. So hat die sprichwörtliche Schläue und List des Fuchses schon früh in die mündlichen Überlieferungen vieler nordamerikanischer Kulturen Eingang gefunden. Einer alten Legende der Apachen zufolge waren es Füchse, die den Leuchtkäfern das Feuer stahlen, um es den Menschen zu bringen. Und vor allem in Japan genießen Füchse große und bis in 11. Jahrhundert zurückreichende Verehrung als Begleiter und Beschützer von Prinzen und Kriegern.
Faszinierende Einsichten
Das Buch kann und will keine umfängliche „Biografie“ über den Fuchs sein. Ganz bestimmt ist es aber ein wertvoller Beitrag zur Neubetrachtung einer Tierart, die uns näher ist, als wir bislang glaubten. Man kann Adele Brand nur beipflichten, wenn sie im letzten Kapitel den „Wert“ der Beschäftigung mit Füchsen wie folgt zusammenfasst: „Ein einziges Wesen in leuchtendem Orange und mit feingliedrigem Körperbau kann ein ganzes Paket von faszinierenden Einsichten über Tierverhalten, ökologische Zusammenhänge und die Beziehung zwischen Menschen und Wildtieren vermitteln.“
Adele Brand: Füchse. Unsere wilden Nachbarn. C.H. Beck 2020. Gebunden, 208 Seiten. ISB 978-3406751134
Lesen Sie zum selben Titel auch die Rezension von Wolfgang Schwerdt
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