Buchvorstellung von Markus Bötefür
Delfine zählen zu den beliebtesten Meeressäugetieren und wurden seit der Antike mit zahlreichen menschlichen und göttlichen Eigenschaften versehen. Die rosafarbenen Flussdelfine Südamerikas waren über viele Jahre „Forschungsgegenstand“ der US-amerikanischen Autorin Sy Montgomery, der es vor allem die mit den seltenen Tieren einhergehende Vermenschlichung im südamerikanischen Kulturkreis angetan hat.
die letzten Geheimnisse des bedrohten Amazonas
Seit ihrem 2017 auch auf Deutsch erschienen Bestseller „Rendezvous mit einem Oktopus. Extrem schlau und unglaublich empfindsam. Das erstaunliche Seelenleben der Kraken“ zählt Montgomery zur Crème de la Crème der sog. „Nature Writers“, was in ihrem Falle besonders bemerkenswert ist, denn die studierte Romanistin und Psychologin kann sich auf keinerlei naturwissenschaftliche Hochschulausbildung berufen. Für kulturgeschichtlich und soziologisch interessierte Leser ist dieser Umstand jedoch ein Segen, denn die Autorin, die auf ihrer Suche nach den sagenumwobenen Delfinen ganze viermal in den lebensgefährlichen Dschungel Brasiliens und Perus gereist ist, legt ihr Augenmerk weniger auf die tatsächlichen biologischen und evolutionären Eigenschaften der Tiere. Sie bespiegelt in ihrem sehr lesenswerten Buch vor allem das mythische Verhältnis der indigenen und iberisch-stämmigen Bewohner der Amazonasregion zu den scheuen Süßwasserdelfinen.
Wo die rosafarbenen Tiere leben
Dreh- und Angelpunkt ihres als Reisebericht aufgemachten Buches, das auch sämtlicher Schrecken in Form von Schlangen, Spinnen und Ameisen enthält, ist die Legende von „Encante“, jenes verzauberten und unter der Oberfläche des Amazonas vermuteten Ortes, an dem die rosafarbenen Tiere leben und sich mitunter nach der Liebe schöner, junger Menschen verzehren. Ihre Sehnsucht gehe nach Auskunft der von Sy Montgomery aufgesuchten Fachleute (Biologen, Wildhüter und Journalisten) so weit, dass die Eltern der Auserwählten es vorzögen, von den Ufern des Flusses wegzuziehen.
Sachkundiges Lektorat vermisst
In die sowohl informative als auch unterhaltsame Lektüre mischen sich leider auch haarsträubende Fehler. So geht Montgomery davon aus, dass es sich bei Aalen nicht um Fische handle und sie verwechselt mitunter auch Säugetierarten. Hier hätte ein sachkundiges Lektorat nicht nur eine Trübung des Lesevergnügens vermieden, sondern auch dazu beigetragen, die aufgrund fehlender naturwissenschaftlicher Qualifikation ohnehin in Deutschland angezweifelte Expertenschaft der Autorin nicht noch weiter zu beschädigen. Trotz solcher Ungereimtheiten ist ihr Amazonas-Buch für Soziologen und Völkerkundler eine lohnende Informationsquelle.
Sy Montgomery: Der Ruf der rosa Delfine. Wie die schlauen Säugetiere uns in die letzten Geheimnisse des bedrohten Amazonas einweihen. Eden Books 2020. Gebunden, 272 Seiten. ISBN 978-3-95910-294-0, 272
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