Montag, 2. Mai 2022

Zur Kulturgeschichte des Karakals

(Kapitel aus Rotbarts wilde Verwandte)

1654 war die Welt des Caracal caracal zumindest in der südafrikanischen Kapregion noch halbwegs in Ordnung. Die Holländer hatten erst zwei Jahre zuvor ihren Handelsstützpunkt am Tafelberg errichtet und bis auf die Festung und ein paar Gärten noch kaum Land für sich in Anspruch nehmen können. Das war von den nomadischen Khoi und den Jägern und Sammlern, den San, besiedelt, für die die Koexistenz mit Beutegreifern zum alltäglichen Leben gehörte.

Ins Blickfeld der Europäer gelangte der Karakal im folgenden Jahrhundert. Wie überall, wo Menschen in ihren Lebensraum eindrangen, bediente sich die außerordentlich scheue, opportunistische Raubkatze nach dem Muster, man nimmt, was man kriegt, gelegentlich auch bei den Haustieren, wie Hühnern, Schafen oder Ziegen. Da kam es ganz gelegen, dass man das Fell des Karakals, wie Alfred Brehm in seinen Tierleben zu berichten wusste, „Am Vorgebirge der guten Hoffnung ... in hohem Werte“ hielt „... weil man ihm Heilkräfte gegen Gliederschmerzen und Fußgicht zuschrieb. Solche Felle wurden auch nach Europa verhandelt und hier ebenfalls gut bezahlt.“

Trophäen, Populationskontrolle und Forschungsdefizite

Zu Lebzeiten Brehms (1829–1884) War der Boom der Karakalfelle allerdings längst vorbei, und die faszinierende Raubkatze aus dem Blickfeld des kommerziellen und naturwissenschaftlichen Interesses entschwunden. Im Pelzhandel des 20. Jahrhunderts war der Karakal noch sehr günstig als Bettvorleger zu erstehen und wer sich heute einen Karakal als Trophäe schießen will, bekommt den bei den einschlägigen Veranstaltern im südlichen und westlichen Afrika schon ab einer Abschussprämie von 500 – 700 € vor die Flinte. Und da er im Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommen CITES aufgelistet ist, können die mutigen Jagdgesellen ihre Trophäe auch problemlos nach Deutschland einführen. Laut CITES Trade Databasis wurden von 2001-2017 7.924 Jagdtrophäen davon 6.749 aus Südafrika und 1.039 aus Namibia, 1.413 Felle und 1.633 Schädel zur Ausfuhr genehmigt. Hinzu kamen 157 lebende Wildfänge, davon 26 aus Namibia, 74 aus Südafrika und 12 aus Guinea. Weltweit wurde der internationale Transport von 583 Nachzuchttieren erfasst, davon 560 aus Südafrika.

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Marmorkatze, Sumatratiger, Leopard, Nebelparder oder Schwarzfußkatze. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind vom Aussterben zumindest in freier Wildbahn bedroht. Bereits seit der Entstehung der ersten Zivilisationen werden sie verehrt und verfolgt, ausgerottet und vergöttert. Aber erst mit der europäischen Expansion, der Globalisierung wird mit zunehmender Geschwindigkeit ihre natürliche Lebensgrundlage überall auf der Welt unwiederbringlich zerstört. "Rotbarts wilde Verwandte" ist eine kulturgeschichtliche Reise von der Frühzeit über das 17. Jahrhundert, in dem der Prozess der Globalisierung bereits im vollen Gange war, in die Neuzeit bis hin zu den aktuellen Herausforderungen, denen sich der Arten- und Habitatschutz angesichts der sogenannten sixth extinction, also dem sechsten Massenartensterben der Erdgeschichte zu stellen hat. Der Leser taucht dabei ein in die Welt von göttlichen Herrschern, Kulturheroen, menschenfressenden Raubkatzen, skrupellosen Geschäftemachern, historischen Ausrottungskampagnen und schießwütigen Naturforschern. Denn die Kulturgeschichte des anthropogenen Artensterbens ist geprägt von Gier und Machtbesessenheit, wissenschaftlicher Leidenschaft, religiösen Überzeugungen und einer gehörigen Portion Dummheit der Tierart, die sich in ihrer Hybris selbst als Homo sapiens, also als weise und vernünftig bezeichnet. 

Weil sie als Nutztierräuber gelten, werden die Karakals natürlich auch in ihrem Bestand „kontrolliert“, also abgeschossen. Allein im Zeitraum zwischen 1931 bis 1952 wurden laut International Union for Conservation of Nature (IUCN) allein in der südafrikanischen Trockenregion Karoo pro Jahr mehr als 2.200 dieser Katzen im Rahmen der „Populationskontrolle“ getötet. 1981 meldeten namibische Farmer den Abschuss von 2.800 Karakals, weil die angeblich für einen hohen Verlust von Nutztieren verantwortlich waren. Die Dunkelziffer dürfte durchaus höher sein. Laut roter Liste gefährdeter Arten (IUCN) ist der Caracal caracal in Südafrika dennoch nicht vom Aussterben bedroht. Allerdings ist über die Habitatansprüche und Reviergrößen der sprunggewaltigen Katze bislang nur wenig bekannt.

Gefangen und abgerichtet

Ein "Jagdluchs", Baroda (Britisch-Indien) ca. 1860
Dabei verbindet den Menschen und den Karakal eine sehr lange gemeinsame Geschichte. Denn das Verbreitungsgebiet der großen wilden Kleinkatze reicht von der Kapregion Afrikas über Vorderasien bis nach Indien. Bereits die alten Ägypter sollen sich nach Mutmaßung des Altphilologen Otto Keller in seinem Buch „Die antike Tierwelt“ (1909) des Karakals zum Jagen bedient haben. Das jedenfalls glaubt er unter anderem aus der ägyptischen Bilderwelt ableiten zu können. Unwahrscheinlich ist das sicherlich nicht, denn die frühgeschichtlichen Herrscher Nordafrikas und Vorderasiens hielten sich eine ganze Reihe von Raubkatzenarten für die Jagd, allen voran den Gepard. Auch in frühneuzeitlichen Berichten taucht der Karakal als Jagdbegleiter immer wieder auf. So schreibt Gessner dass der König der Tartaren heimische Löwparden und Luchse (in diesem Fall sind tatsächlich Karakale gemeint) besitzen solle, die er zum Jagen gebrauche. Brehm meinte dazu, dass Gessner das wohl von Marco Polo abgeschrieben habe, dass es aber trotzdem durchaus glaubwürdig sei. Tatsächlich finden sich bei verschiedenen europäischen Reisenden aus dem 19. Jahrhundert Berichte über die Jagd mit Karakalen. So schreibt zum Beispiel Godfrey Thomas Vigne (1801-1863) in einem seiner Tagebücher, dass in Kaschmir Karakale gemeinsam mit Geparden zur Jagd eingesetzt wurden.

Opfer der menschlichen Infrastruktur

Überall in seinem Verbreitungsgebiet ist der Karakal durch Habitatverlust oder -zersplitterung durch Landwirtschaft und Verkehr, legale oder illegale Bejagung ungeachtet der aktuellen IUCN-Einstufung in unterschiedlichem Maße bedroht. In vielen Teilen ihres Verbreitungsgebietes ist der Bedrohungsstatus, also die Populationsdichte und -entwicklung nicht einmal bekannt. Das gilt auch für die Türkei, wo bestenfalls ein Populationsrückgang zu verzeichnen ist. Dort, wie auch in Persien, heißt die Katze übrigens Schwarzohr (türk. Karakulak) woraus sich letztendlich der Gattungsnamen ableitet.

In den zentralasiatischen Republiken wie überall dort, wo er von Natur aus nur geringe Populationen aufweist, gilt der Karakal als offiziell bedroht und in Saudi-Arabien geht man von einem Rückgang der Population aus, weil unter anderem immer weniger totgefahren werden.

Missbraucht für die Haustierindustrie

Die inzwischen verstorbene Kalaharia (Raubtier-und Exotenasyl)
Auch vom Rest der Arabischen Halbinsel gibt es kaum Informationen über den Karakal. Ungeachtet dessen treiben die Vereinigten Arabischen Emirate einen schwunghaften internationalen Handel mit Karakalen als Haustiere. Woher die kommen, weiß niemand so recht, wo sie landen durchaus.

Denn inzwischen sind Karakale und Kreuzungen aus Hauskatzen und Karakalen und anderen Exoten auch bei uns zum „gehobenen“ Modehaustier geworden. So versprechen die wilden Katzen und ihre „Bastarde“ wie Karakalkatze oder Caracat, Hybride aus Fischkatze und Maine Coon (Viveral) und diverse weitere Mischungen bei „Liebhabern“ inzwischen gute Gewinne. Aber bei der Zucht gerade der größeren Haus-Wildkatzen-Mixe kommt es aus biologischen Gründen zu häufigen Früh-, Fehl- und Totgeburten und auch der Paarungsakt selbst ist für das jeweilige Hauskatzenweibchen nicht unproblematisch. Wer sich die Zähne eines Karakals anschaut, mag sich vorstellen, was der Nackenbiss bei der Paarung beim Hauskatzenweibchen anrichten kann. Da aber reine Karakale, Servale, Bengal-, Rohr und Fischkatzen ganz legal für den kommerziellen Handel und zur Kreuzungs- und Nachzucht nach Tschechien, Deutschland und England importiert werden können, rechnen sich die Verluste offensichtlich. Und dass am Ende nicht wenige der, ob Hybrid, Nachzucht oder Direktimport, immer noch wilden Katzen in Tierheimen und Auffangstationen (z.B. Raubtierasyl im Bayerischen Ansbach) landen, wird unter kommerziellen Gesichtspunkten billigend in Kauf genommen.

Steckbrief 

(Caracal caracal)

Familie: Felidae (Katzen)

Unterfamilie: Felinae (Kleinkatzen)

Gattung: Caracal

Erstbeschreibung 1776 durch den deutschen Mediziner und Naturforscher Johann Christian von Schreber. Ab 1777 war er Leiter des Naturhistorischen Museums der Universität Erlangen. Während dieser Zeit arbeitete er bereits an „Die Säugthiere in Abbildungen nach der Natur mit Beschreibungen“, einem zoologischen enzyklopädischen Beschreibungs- und Bildnachweiswerk, das zwischen 1775 und 1792 in vier Bänden erschien. Neben seiner eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit begann Schreber ab 1773 das gesamte Werk des Wissenschaftlers Carl von Linné ins Deutsche zu übersetzen.

Habitat: trockene Steppen, Halbwüsten, Savannen, Trockenwälder

Gewicht/Größe ca.: 13 – 18 Kg, Kopf-Rumpf-Länge 65 cm, Schwanz 30 cm, Schulterhöhe 40-45 cm.

Besondere Merkmale: Schwarze Fellpinsel an den Ohren; Kräftige Hinterbeine, die länger sind als die Vorderbeine; Lauerjäger; Nachtjäger; je nach Region weinrotes, graues oder sandfarbenes Fell.

Ernährung: Vögel, kleine Säugetieren (z.B. Hasen, Mäuse, Schliefer) bis hin zu Antilopen und Haustiere, wie Ziegen und Schafe.

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