Mittwoch, 29. April 2020

Füchse

unsere wilden Nachbarn

Füchse sind eine erstaunliche Spezies, wahre Überlebenskünstler, in nahezu allen Lebensräumen zu Hause, auch in dem der Menschen. Mit ihrem Buch Füchse, unsere wilden Nachbarn bringt die Ökologin Adele Brand dem Leser die allgegenwärtigen Caniden auf eine einfühlsame aber dennoch unromantische Art nahe.

Ein Canide aus dem Miocän

Die Beschreibung der Begegnung mit einer Füchsin im Grüngürtel Londons dient der Autorin als Einführung, setzt den Leser zunächst einmal in den Lebensraum der unverwüstlichen Hundeartigen zwischen „freier“ Natur und zunehmend menschlichem Lebensraum. Die Gedanken schweifen dann zurück in die Geschichte, die auch erklärt, warum der sich der Fuchs bis heute auch gegen den Menschen behaupten konnte. Die Vorfahren des kleinen Kerls lebten und überlebten bereits vor vielen Millionen Jahren in einer Welt furchterregender Raubtiere wie riesigen Caniden oder Säbelzahnkatzen. Und die ersten echten Füchse tauchten bereits vor sieben Millionen Jahren in Europa auf. Die Existenz von Vulpes vulpes, unserem Rotfuchs, von dem in Adele Brands Buch vor allem die Rede ist, ist erstmals in Ungarn vor 3,5 Millionen Jahren nachgewiesen worden. Damals experimentierte der Mensch gerade mit Steinwerkzeugen herum.

Die Kulturgeschichte des Fuchses

Vor vielleicht 300.000 Jahren machte sich nach heutigem Kenntnisstand der Homo Sapiens, also der Vorfahr des modernen Menschen auf der Erde breit. Der, also der Homo sapiens sapiens, überlebte als einzige Menschenart und breitete sich über nahezu alle Lebensräume der Erde aus, möglicherweise aus den gleichen Gründen, wie der Fuchs. Denn gemeinsames Merkmal ist die fehlende Spezialisierung und damit hohe Anpassungsfähigkeit. „Die menschliche Kultur ist derart spät in die Geschichte der Menschen getreten“, so die Schlussfolgerung der Autorin mit einem Augenzwinkern, „dass es fast absurd scheint, sie überhaupt zu erwähnen.“
Aber natürlich ist unser Verständnis vom Fuchs ohne einen Blick in seine Kulturgeschichte also die Geschichte des Mensch-Fuchs-Verhältnisses kaum zu erklären. Und so erfährt der Leser über spannende archäologische Belege zum teilweise recht rätselhaften Zusammenleben von Mensch und Fuchs, wird in das Reich der Sagen und Rituale in aller Welt entführt und findet sich schließlich bei den Märchen und Legenden und Vorurteilen unserer Breiten wieder.

Der Fuchs und die Phase des Anthropozäns

Das alles ist im Grunde das Vorspiel zu einer intensiveren Betrachtung des Lebens der Füchse in einer vom Menschen gestalteten und ständig veränderten Welt. Einer Welt, in der tatsächlich die Menschen die Eindringlinge sind und deren Lebensweise gravierenden Einfluss auf das Leben des roten Caniden hat, der nicht daran denkt, sich aus seinem angestammten Lebensraum vertreiben zu lassen. Adele Brand behandelt auf sehr unterhaltsame und verständliche Art, gewissermaßen plaudernd, die komplexen Themen der Ökologie, deren Veränderung und Folgen für das Leben des Fuchses aber auch das erzwungene Zusammenleben zwischen Fuchs und Mensch im gemeinsamen Siedlungsgebiet. Konflikte sind natürlich programmiert, wenn Hühner- oder Kaninchenstall ausgeräumt werden, aber die Autorin versteht es in solchen Fällen gewohnte Denkmuster zu durchbrechen. Sie legt dar, dass die übliche menschliche Reaktion bei tierischen Störfällen – die „Regulation“ durch Bejagung – kaum erfolgversprechend ist. Und sie zeigt – neben den Ausführungen zu Biologie und Sozialleben der Füchse – einen recht praktischen Lösungsweg aus dem Mensch-Fuchs Dilemma auf: Lasst die Füchse einfach sein, was sie sind und für die nächsten paar Tausend Jahre Evolution auch bleiben werden, nämlich Wildtiere.

Reise in die Welt des Fuchses

Das Buch beinhaltet vieles Neue, vieles Wissenswerte und viel zum Nachdenken. Und das ohne erhobenen Zeigefinger oder gar Langeweile. Es ist wissenschaftlich und persönlich zugleich und wunderbar gelungen. Am Ende erwarten den Leser noch eine Reihe berühmter Füchse und die Werkzeugkiste für Fuchsfreunde. Dazu gehören Fotosafaris ebenso wie Spurenlesen, kleinere Alltagsprojekte und größere Forschungsprojekte. Sehr nützlich, weil die Gemeinde der Fuchsfreunde nach der Lektüre ganz sicher erheblich Zuwachs bekommen dürfte.

Adele Brand: Füchse. Unsere wilden Nachbarn. C.H.Beck 2020. Gebunden mit Schutzumschlag 207 Seiten.
 

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