unsere wilden Nachbarn
Füchse sind eine erstaunliche Spezies,
wahre Überlebenskünstler, in nahezu allen Lebensräumen zu Hause,
auch in dem der Menschen. Mit ihrem Buch Füchse, unsere wilden
Nachbarn bringt die Ökologin Adele Brand dem Leser die
allgegenwärtigen Caniden auf eine einfühlsame aber dennoch
unromantische Art nahe.
Ein Canide aus dem Miocän
Die Beschreibung der Begegnung mit
einer Füchsin im Grüngürtel Londons dient der Autorin als
Einführung, setzt den Leser zunächst einmal in den Lebensraum der
unverwüstlichen Hundeartigen zwischen „freier“ Natur und
zunehmend menschlichem Lebensraum. Die Gedanken schweifen dann zurück
in die Geschichte, die auch erklärt, warum der sich der Fuchs bis
heute auch gegen den Menschen behaupten konnte. Die Vorfahren des
kleinen Kerls lebten und überlebten bereits vor vielen Millionen
Jahren in einer Welt furchterregender Raubtiere wie riesigen Caniden
oder Säbelzahnkatzen. Und die ersten echten Füchse tauchten bereits
vor sieben Millionen Jahren in Europa auf. Die Existenz von Vulpes
vulpes, unserem Rotfuchs, von dem in Adele Brands Buch vor allem die
Rede ist, ist erstmals in Ungarn vor 3,5 Millionen Jahren
nachgewiesen worden. Damals experimentierte der Mensch gerade mit
Steinwerkzeugen herum.
Die Kulturgeschichte des Fuchses
Vor vielleicht 300.000 Jahren machte
sich nach heutigem Kenntnisstand der Homo Sapiens, also der Vorfahr
des modernen Menschen auf der Erde breit. Der, also der Homo sapiens
sapiens, überlebte als einzige Menschenart und breitete sich über
nahezu alle Lebensräume der Erde aus, möglicherweise aus den
gleichen Gründen, wie der Fuchs. Denn gemeinsames Merkmal ist die
fehlende Spezialisierung und damit hohe Anpassungsfähigkeit. „Die
menschliche Kultur ist derart spät in die Geschichte der Menschen
getreten“, so die Schlussfolgerung der Autorin mit einem
Augenzwinkern, „dass es fast absurd scheint, sie überhaupt zu
erwähnen.“
Aber natürlich ist unser Verständnis
vom Fuchs ohne einen Blick in seine Kulturgeschichte also die
Geschichte des Mensch-Fuchs-Verhältnisses kaum zu erklären. Und so
erfährt der Leser über spannende archäologische Belege zum
teilweise recht rätselhaften Zusammenleben von Mensch und Fuchs,
wird in das Reich der Sagen und Rituale in aller Welt entführt und
findet sich schließlich bei den Märchen und Legenden und
Vorurteilen unserer Breiten wieder.
Das alles ist im Grunde das Vorspiel zu
einer intensiveren Betrachtung des Lebens der Füchse in einer vom
Menschen gestalteten und ständig veränderten Welt. Einer Welt, in
der tatsächlich die Menschen die Eindringlinge sind und deren
Lebensweise gravierenden Einfluss auf das Leben des roten Caniden
hat, der nicht daran denkt, sich aus seinem angestammten Lebensraum
vertreiben zu lassen. Adele Brand behandelt auf sehr unterhaltsame
und verständliche Art, gewissermaßen plaudernd, die komplexen
Themen der Ökologie, deren Veränderung und Folgen für das Leben
des Fuchses aber auch das erzwungene Zusammenleben zwischen Fuchs und
Mensch im gemeinsamen Siedlungsgebiet. Konflikte sind natürlich
programmiert, wenn Hühner- oder Kaninchenstall ausgeräumt werden,
aber die Autorin versteht es in solchen Fällen gewohnte Denkmuster
zu durchbrechen. Sie legt dar, dass die übliche menschliche Reaktion
bei tierischen Störfällen – die „Regulation“ durch Bejagung –
kaum erfolgversprechend ist. Und sie zeigt – neben den Ausführungen
zu Biologie und Sozialleben der Füchse – einen recht praktischen
Lösungsweg aus dem Mensch-Fuchs Dilemma auf: Lasst die Füchse
einfach sein, was sie sind und für die nächsten paar Tausend Jahre
Evolution auch bleiben werden, nämlich Wildtiere.
Reise in die Welt des Fuchses
Das Buch beinhaltet vieles Neue, vieles
Wissenswerte und viel zum Nachdenken. Und das ohne erhobenen
Zeigefinger oder gar Langeweile. Es ist wissenschaftlich und
persönlich zugleich und wunderbar gelungen. Am Ende erwarten den
Leser noch eine Reihe berühmter Füchse und die Werkzeugkiste für
Fuchsfreunde. Dazu gehören Fotosafaris ebenso wie Spurenlesen,
kleinere Alltagsprojekte und größere Forschungsprojekte. Sehr
nützlich, weil die Gemeinde der Fuchsfreunde nach der Lektüre ganz
sicher erheblich Zuwachs bekommen dürfte.
Adele Brand: Füchse. Unsere
wilden Nachbarn. C.H.Beck 2020. Gebunden mit Schutzumschlag 207
Seiten.
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