Erkenntnisse aus der Sequenzierung von Paläogenomen vom afrikanischen Kontinent
Pressemitteilung mfn Berlin 03.11.2022: Ein
internationales Forschungsteam unter Leitung des Museums für Naturkunde
Berlin (mfn) und der Universität Potsdam hat die ersten
beiden Kerngenome des ausgestorbenen Blaubocks sequenziert. Eines der Genome
ist mit circa 9.950 Jahren das bislang älteste sequenzierte vom afrikanischen
Kontinent. Die genomischen Daten erlauben Einblicke in das Aussterben einer
Art. Der Blaubock ist die einzige große afrikanische Säugetierart, die
historisch ausgestorben ist. Die Ergebnisse, die in Molecular Biology and
Evolution, publiziert sind, zeigen, dass der Blaubock trotz geringer
Populationsgröße die klimatischen Veränderungen der letzten 10.000 und mehr
Jahre überlebte, bis die europäischen Siedler im 17. Jahrhundert die Art durch
Bejagung ausrotteten.
Künstlerische Zeichnung des Blaubocks
Eine der seltensten Säugetierarten in Museen weltweit
Der Blaubock (Hippotragus leucophaeus) war eine afrikanische Antilopenart mit bläulich-grau schimmernden Fell. Er ist verwandt mit den rezenten Rappen- und Pferdeantilopen. Der letzte Blaubock wurde um 1800 geschossen, nur 34 Jahre nach seiner wissenschaftlichen Erstbeschreibung. Dadurch ist er die einzige große afrikanische Säugetierart, die in historischer Zeit ausgestorben ist. Eine vorherige Studie des gleichen Teams konnte zeigen, dass der Blaubock eine der seltensten Säugetierarten in Museen weltweit ist. Bisher konnten Studien lediglich relativ kleine Teile der DNA extrahieren, nämlich das mitochondrielle Genom.
Das derzeit älteste Paläogenom aus Afrika, gewonnen aus einem fossilen Zahn
Nun ist es einem Team unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin und der Universität Potsdam gelungen, die ersten Kerngenome dieser Art von einem der seltenen historischen Objekte aus dem Swedish Natural History Museum in Stockholm sowie aus einem 9.300 bis 9.800 Jahre alten fossilen Zahn aus dem Iziko Museum of South Africa in Kapstadt zu gewinnen. Das fossile Genom ist derzeit das älteste Paläogenom aus Afrika. Die vorherrschenden Umweltbedingungen in Afrika, vor allem die hohen Temperaturen, sind im Allgemeinen schädlich für die Erhaltung von Biomolekülen, was die Gewinnung von alter DNA äußerst schwierig macht.
Ausgestorben nachdem die Europäer kamen
„Das Genom des Blaubocks zeigt, dass seine Populationsgröße bereits seit dem Ende des letzten Eiszeitalters vor rund 10.000 Jahren gering war – und damit auch als die europäischen Kolonisten im 17. Jahrhundert im südlichen Afrika ankamen“, erklärt Elisabeth Hempel, Paläogenetikerin am Museum für Naturkunde Berlin und an der Universität Potsdam. Auch Fossilfunde zeigen eine deutliche Abnahme in der relativen Häufigkeit von Blaubockfossilien zum Ende des letzten Eiszeitalters. „Trotz ihres geringen Verbreitungsgebiets und ihrer geringen Populationsgröße haben Blauböcke die letzten 10.000 Jahre gemeinsam mit Menschen in der Region überlebt. Dies änderte sich, als die europäischen Kolonisten mit Schusswaffen das südliche Afrika erreichten. Dies führte zum Aussterben einer Art, die möglicherweise bereits seit Jahrtausenden mit Habitatverlust und der Fragmentierung ihres Verbreitungsgebiets zu kämpfen hatte“, so Hempel
Publikation: Elisabeth Hempel, Faysal Bibi et al., 2022. Blue turns to grey – Palaeogenomic insights into the evolutionary history and extinction of the blue antelope (Hippotragus leucophaeus). DOI Paper
Bildrechte: Bild 1 Sclater, P. L., Thomas, O. The Book of Antelopes, vol. 4. – London: 1899–1900. Pl. LXXVI. Reprint in the Biodiversity Heritage Library. Bild 2 Links: J.T. Faith, courtesy: Archaeology Unit, Iziko Museums of South Africa. Rechts: Hempel et al. 2021. Identifying the true number of specimens of the extinct blue antelope (Hippotragus leucophaeus). Sci Rep 11:2100. (both are also in the article)
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