Es war schon eine kleine Sensation, als
die Taiwan News am 23. Februar 2019 die Sichtung des Neofelis
nebulosa brachyura, der auf Taiwan endemischen Art des Nebelparders
meldete. Mehrere Augenzeugen sollen die ausgestorben geglaubte
Großkatze im Landkreis Taitung in der Gemeinde Daren beobachtet
haben. Daren gehört zu den am dünnsten besiedelten Regionen Taiwans
und liegt im Taiwanischen Zentralgebirge. Mehr als 90% der Bewohner
gehören zur indigenen Bevölkerung, überwiegend Paiwan, einer
ausstronesischen Ethnie.
Taiwanischer Nebelparder (Neofelis
nebulosa brachyura)
Bild von Joseph Wolf (1820-1899). Aus
Proceedings of the
Zoological Society of London 1862.
Wikimedia Commons PD
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Die Informationen über die Sichtungen
stammen von Kao Cheng-chi, dem Präsidenten der Austronesian
Community College Development Association und Bürgermeister des
Paiwan-Stammes. Der hatte im Juni 2018 eine Rangertruppe aufgebaut,
um in den traditionellen Gebieten der Paiwan zu patrouillieren.
Völlig unerwartet sichteten Mitglieder der Rangergrupppen im Januar
2019 die extrem scheue Katze. So soll in der Nähe des Dorfes Alangyi
ein Li' uljaw, wie der Nebelparder in der Paiwan-Sprache genannt
wird, auf einen Baum geklettert und dann auf einen Felsen gesprungen
sein, um eine Ziege zu jagen. Ein anderer Ranger sah einen
Nebelparder an einem Motoroller vorbeihuschen und blitzschell einen
Baum hinaufjagen. Kao organisierte unverzüglich ein Stammestreffen
um die Sichtungen näher zu untersuchen und ein Jagdverbot für
Außenstehende zu beschließen. Zudem forderten die Dorfältesten die
Forstverwaltung auf, Holzeinschlag und andere zerstörerische
Aktivitäten in dieser Region zu unterlassen.
Wissenschaftlich nicht bestätigt
Die Forstverwaltung von Taitung
allerdings hält sich ein wenig bedeckt. Zwar betont sie, dass die
Sichtungen ernst genommen würden und dass sie die Bemühungen des
Stammes, seine Ressourcen zu schützen respektiere, eine
wissenschaftliche Bestätigung der Sichtungen sei jedoch
unerlässlich. Ein ernsthaftes Problem, denn der Ökologe und
Universitätsprofessor Liu Chiung-hsi erklärte, dass es das
Verhalten des Nebelparders nahezu unmöglich mache, ihn aufzuspüren oder zu fangen.
Und so ist es auch kein Wunder, dass die Katze 2013 offiziell für
ausgestorben erklärt wurde. Immerhin hatte man in einem
umfangreichen Forschungsprojekt 13 Jahre lang vergeblich versucht mit
hunderten von Fallen und rund 1500 Infrarotkameras die geheimnisvolle
Katze auf Taiwan aufzuspüren.
Der Geist großer Krieger –
zwischen Verehrung und Kommerz
Mythen und Legenden der Indigenen
ranken sich um die außergewöhnliche Katze. So sehen Clans der Rukai in den äußerst scheuen Tieren ihre verehrten
Vorfahren. In der Paiwan-Kultur, gilt der Formosa-Nebelparder als
Geist großer Kriegerahnen und die Jagd auf ihn ist verboten. An der
Tatsache, dass der Taiwanesische Nebelparder heute als ausgestorben
gilt (die letzte offizielle Sichtung war 1983), änderte das (noch)
nichts. Nach der 2007 verfassten Doktorarbeit des heutigen
Vorsitzenden des Formosan Wild Sound Conservation Science Center,
Po-Jen Ciang lässt sich der Handel mit
Nebelparder-Produkten bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Zu
jener Zeit verhandelten Händler der Penghu-Inseln Felle und
getrocknetes Parderfleisch von Taiwan nach China. Die Lieferanten:
indigene Stämme Formosas. Das Abholzern der Wälder, illegale Jagd, Urbanisierung und Landwirtschaft sind allerdings die Hautursachen für das Aussterben des Formosa-Nebelparders und übrigens auch der Existenzbedrohung seiner Gattungsgenossen in Malaysia und auf den Sundainseln
Indigene Völker als letzte Chance
des Formosa-Nebelparders
Die Frage, ob die wunderschöne und
interessante Katze auf Taiwan ausgestorben ist, dürfte nicht nur
ein wissenschaftliches Problem sein. Tatsächlich wurden die
indigenen Völker Taiwans und ihr Lebensraum bereits seit dem 17.
Jahrhundert durch den Einfluss der Holländer und der massiven
chinesischen Besiedelung immer weiter zurückgedrängt. Die
Industrialisierung und die hemmungslose Ausbeutung der natürlichen
Ressourcen der Insel im Rahmen der ökonomischen Globalisierung
drohen auch den Lebensraum und die Kultur der indigenen Bevölkerung
auszulöschen. Die Sichtung der Raubkatze könnte daher auch ein Teil
der – wie es die Fortverwaltung formuliert - Bemühungen des
Stammes sein, seine Ressourcen zu schützen. Sollte es tatsächlich
noch Formosa-Nebelparder geben, so ist ihr Schutz durch die indigene
Bevölkerung mehr als notwendig. Denn mit der Erklärung, dass die
Katze ausgestorben sei, besteht auch die Möglichkeit, nach dem Motto "was nicht existiert muss auch nicht geschützt werden" den offiziellen Schutzstatus für den Neofelis
nebulosa brachyura aufzuheben und ihn aus den Listen des Washingtoner Abkommens und der IUCN (Rote Liste bedrohter Arten) zu streichen.
Mehr über die anderen Arten der
Gattung Neofelis und weitere bedrohte Katzenarten und deren
Kulturgeschichte finden Sie im Buch „Rotbarts wilde Verwandte. Zur
Kulturgeschichte des anthropogenen Artensterbens“. Erscheint voraussichtlich Mitte bis Ende März 2019
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