Sonntag, 3. März 2019

Formosa-Nebelparder doch (noch) nicht ausgestorben?

Es war schon eine kleine Sensation, als die Taiwan News am 23. Februar 2019 die Sichtung des Neofelis nebulosa brachyura, der auf Taiwan endemischen Art des Nebelparders meldete. Mehrere Augenzeugen sollen die ausgestorben geglaubte Großkatze im Landkreis Taitung in der Gemeinde Daren beobachtet haben. Daren gehört zu den am dünnsten besiedelten Regionen Taiwans und liegt im Taiwanischen Zentralgebirge. Mehr als 90% der Bewohner gehören zur indigenen Bevölkerung, überwiegend Paiwan, einer ausstronesischen Ethnie.

Taiwanischer Nebelparder (Neofelis nebulosa brachyura)
Bild von Joseph Wolf (1820-1899). Aus Proceedings of the
Zoological Society of London 1862. Wikimedia Commons PD

Die Informationen über die Sichtungen stammen von Kao Cheng-chi, dem Präsidenten der Austronesian Community College Development Association und Bürgermeister des Paiwan-Stammes. Der hatte im Juni 2018 eine Rangertruppe aufgebaut, um in den traditionellen Gebieten der Paiwan zu patrouillieren. Völlig unerwartet sichteten Mitglieder der Rangergrupppen im Januar 2019 die extrem scheue Katze. So soll in der Nähe des Dorfes Alangyi ein Li' uljaw, wie der Nebelparder in der Paiwan-Sprache genannt wird, auf einen Baum geklettert und dann auf einen Felsen gesprungen sein, um eine Ziege zu jagen. Ein anderer Ranger sah einen Nebelparder an einem Motoroller vorbeihuschen und blitzschell einen Baum hinaufjagen. Kao organisierte unverzüglich ein Stammestreffen um die Sichtungen näher zu untersuchen und ein Jagdverbot für Außenstehende zu beschließen. Zudem forderten die Dorfältesten die Forstverwaltung auf, Holzeinschlag und andere zerstörerische Aktivitäten in dieser Region zu unterlassen.

Wissenschaftlich nicht bestätigt

Die Forstverwaltung von Taitung allerdings hält sich ein wenig bedeckt. Zwar betont sie, dass die Sichtungen ernst genommen würden und dass sie die Bemühungen des Stammes, seine Ressourcen zu schützen respektiere, eine wissenschaftliche Bestätigung der Sichtungen sei jedoch unerlässlich. Ein ernsthaftes Problem, denn der Ökologe und Universitätsprofessor Liu Chiung-hsi erklärte, dass es das Verhalten des Nebelparders nahezu unmöglich mache, ihn aufzuspüren oder zu fangen. Und so ist es auch kein Wunder, dass die Katze 2013 offiziell für ausgestorben erklärt wurde. Immerhin hatte man in einem umfangreichen Forschungsprojekt 13 Jahre lang vergeblich versucht mit hunderten von Fallen und rund 1500 Infrarotkameras die geheimnisvolle Katze auf Taiwan aufzuspüren.

Der Geist großer Krieger – zwischen Verehrung und Kommerz

Mythen und Legenden der Indigenen ranken sich um die außergewöhnliche Katze. So sehen Clans der Rukai in den äußerst scheuen Tieren ihre verehrten Vorfahren. In der Paiwan-Kultur, gilt der Formosa-Nebelparder als Geist großer Kriegerahnen und die Jagd auf ihn ist verboten. An der Tatsache, dass der Taiwanesische Nebelparder heute als ausgestorben gilt (die letzte offizielle Sichtung war 1983), änderte das (noch) nichts. Nach der 2007 verfassten Doktorarbeit des heutigen Vorsitzenden des Formosan Wild Sound Conservation Science Center, Po-Jen Ciang lässt sich der Handel mit Nebelparder-Produkten bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Zu jener Zeit verhandelten Händler der Penghu-Inseln Felle und getrocknetes Parderfleisch von Taiwan nach China. Die Lieferanten: indigene Stämme Formosas. Das Abholzern der Wälder, illegale Jagd, Urbanisierung und Landwirtschaft sind allerdings die Hautursachen für das Aussterben des Formosa-Nebelparders und übrigens auch der Existenzbedrohung seiner Gattungsgenossen in Malaysia und auf den Sundainseln

Indigene Völker als letzte Chance des Formosa-Nebelparders

Die Frage, ob die wunderschöne und interessante Katze auf Taiwan ausgestorben ist, dürfte nicht nur ein wissenschaftliches Problem sein. Tatsächlich wurden die indigenen Völker Taiwans und ihr Lebensraum bereits seit dem 17. Jahrhundert durch den Einfluss der Holländer und der massiven chinesischen Besiedelung immer weiter zurückgedrängt. Die Industrialisierung und die hemmungslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der Insel im Rahmen der ökonomischen Globalisierung drohen auch den Lebensraum und die Kultur der indigenen Bevölkerung auszulöschen. Die Sichtung der Raubkatze könnte daher auch ein Teil der – wie es die Fortverwaltung formuliert - Bemühungen des Stammes sein, seine Ressourcen zu schützen. Sollte es tatsächlich noch Formosa-Nebelparder geben, so ist ihr Schutz durch die indigene Bevölkerung mehr als notwendig. Denn mit der Erklärung, dass die Katze ausgestorben sei, besteht auch die Möglichkeit, nach dem Motto "was nicht existiert muss auch nicht geschützt werden" den offiziellen Schutzstatus für den Neofelis nebulosa brachyura aufzuheben und ihn aus den Listen des Washingtoner Abkommens und der IUCN (Rote Liste bedrohter Arten) zu streichen.

Mehr über die anderen Arten der Gattung Neofelis und weitere bedrohte Katzenarten und deren Kulturgeschichte finden Sie im Buch „Rotbarts wilde Verwandte. Zur Kulturgeschichte des anthropogenen Artensterbens“. Erscheint voraussichtlich Mitte bis Ende März 2019

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