Dienstag, 13. November 2018

Seafurrers

The Ships' Cats Who Lapped and Mapped the World

Es gibt nur wenig Bücher über die Geschichte der Schiffskatzen. Das englischsprachige Seafurrers ist meines Erachtens das Beste und Unterhaltsamste, das bislang erschienen ist. Dabei ist es angesichts der recht spärlichen Quellenlage – zumindest hinsichtlich der Zeit vor dem 19. Jahrhundert - gar nicht einfach, ausreichend Stoff zum Thema zusammenzubringen, der mehr als ein paar dutzend Buchseiten zu füllen in der Lage ist. Autorin Philippa Sandall und Illustrator Ad Long haben das Problem auf elegante aber auch arbeitsintensive Weise gelöst und mit Seafurrers ein immerhin rund 240 seitiges Büchlein vorgelegt.


Schiffskatzengeschichte aus samtpfotiger Sicht

Eigentlich ist das, was die Autoren im Buch niederschreiben und illustrieren, Barts Familiengeschichte. Denn Bart, dessen Name eine Anspielung auf den portugiesischen Seefahrer Bartolomeu Dias ist, entstammt einer uralten Schiffskatzenfamilie. Und da Katzen bekanntlich der mündlichen Erzähltradition frönen, hatte sich der Kater der unverzichtbaren Dienste der beiden Menschen versichert, um die Geschichte der seefahrenden Katzen zu Papier zu bringen. Und während die Autoren das Thema mehr oder weniger systematisch und chronologisch angehen, lässt Bart unter „According to Bart“ immer wieder und ausführlich die katzenspezifische Sicht auf die angesprochenen Aspekte und Ereignisse einfließen.

Vom Pestkontrolleur zum Maskottchen

Bart beginnt seine Geschichte ganz am Anfang, lässt den Leser am Prozess der Selbstdomestizierung der Katze teilhaben und stellt nicht ohne Stolz seine berühmten Kollegen vor, denen in jüngerer Vergangenheit sogar die Menschen Texte, Anerkennung und im Einzelfall sogar Verdienstmedaillen gewidmet haben. Natürlich übernahmen die Katzen auch an Bord zunächst die Aufgabe der Nagerkontrolle und damit den Schutz von Ladung, Proviant und nicht zuletzt Papieren und Naturwissenschaftlichen Sammlungen. Als schnurrige „Mannschaftsmitglieder“ sorgten sie für das seelische Gleichgewicht der Crew. Schließlich gingen die samtpfotigen Seeleute auf den langen Reisen auch bei Havarien mit den Zweibeinern durch Dick und Dünn. Und am Ende zierten Katzen ebenso wie andere Vierbeiner die Schiffe als Maskottchen, bis sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus den Handels- und Kriegsmarinen verbannt wurden.

Im Dienste der Wissenschaft

Bart und sein zweibeiniges Team entführen den Leser mit zahlreichen Zitaten aus historischen Reiseberichten unter anderem an Bord der Schiffe der Entdeckungsreisenden und vermitteln dabei neben den Anekdoten über das feline Treiben eine gehörige Portion seefahrtsgeschichtlichen Wissens. Man lernt tierische und menschliche Persönlichkeiten kennen, und allerlei über die Mentalität und die außergewöhnlichen Fähigkeiten der maritimen Stubentiger. So etwa, wenn der Naturforscher Banks (Kapitän Cooks erste Reise 1768 - 1771) vermutet, dass die Schiffskatze der Endeavour einen gezähmten Vogel gefressen hatte, der als Fliegenfänger (und Forschungsobjekt) in den Kabinen des Achterdecks seinen Dienst tat. Natürlich muss Bart auch diesen Vorfall fachkätzisch kommentieren. Der Vogel ist übrigens nicht das einzige naturwissenschaftliche Sammlungsobjekt, das den Bordkatzen im Laufe der Geschichte zum Opfer gefallen ist.

38 Stories und Anekdoten

So unterhaltsam das Buch auch ist, es verzichtet keineswegs auf kritische Aspekte der europäischen Entdeckungsreisen. Etwa wenn die weltweite Verbreitung von Ratten und eben auch Katzen mit ihren ökologisch teilweise verheerenden Folgen angesprochen wird. Natürlich begegnen dem Leser auch in diesem Buch die bekannten Verdächtigen wie Matthew Flinders Schiffskater Trim, Simon, der Weltkriegsveteran oder Tom, der den Untergang der USS Maine überlebte. Aber im Rahmen der 38 Schiffskatzengeschichten präsentieren die Autoren zahlreiche Vertreter der felinen Seemannszunft, die bislang kaum bekannt waren. Immerhin haben die Autoren alte Zeitungen durchstöbert und sind dabei insbesondere in den Ausgaben des 19. und 20. Jahrhunderts fündig geworden. In jener Zeit waren wahre und erfundene Schiffskatzengeschichten ein beliebter Lesestoff. Da ist beispielsweise die Story von der schwarzen Katze Queen Lil, die laut einem Bericht im Los Angeles Herald vom 28. Juni 1908, ihr britisches Dampfschiff Daltonhall vor der Kollision mit einem Eisberg bewahrt haben soll.

Das derzeit Beste zu diesem Thema

Seafurrers ist eine wahre Fundgrube an Stories, Informationen und Anekdoten. Eine liebevolle und unterhaltsame kulturgeschichtliche Hommage an die seefahrenden Samtpfoten, die ich den des Englischen mächtigen Lesern uneingeschränkt empfehlen kann.

Philippa Sandal, Ad Long: Seafurrers. The Ships' Cats Who Lapped and Mapped the World. The Experiment 2018. Hardcover 243 Seiten.

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