Ein Besuch bei den wilden Kollegen unserer Schmusetiger
Misstrauisch
beobachtet der Wildkater mein Bemühen, ihn mit der Kamera zu Portraitieren.
Klar, er ist - wie seine drei
Artgenossen – Publikum gewohnt und ein Foto von den vier Graubraungetigerten
sollte, wie der Tierpfleger versichert, vor allem bei der Fütterung kein
Problem sein. Aber mit dem Objektiv in einer Masche des Drahtzauns, das die
sichtbare Grenze zum Wildkatzengehege im Wildkatzendorf Hütscheroda am
Nationalpark Hainich in Thüringen markiert, habe ich offensichtlich die Distanz
zu dem jungen Wildkater aus der Schweiz unterschritten. Ein kräftiges Fauchen
ist die Quittung und ich lerne, dass Wildkatzen offensichtlich auch noch eine
feuchte Aussprache haben.
Keine Frage, so nahe kommt man echten Wildkatzen hierzulande
sonst wohl nirgends, wie in der Schauanlage „Wildkatzenlichtung“. Der Hainich –
einer der größten ursprünglichen Wälder Deutschlands – ist auch der Geburtsort
des vom BUND initiierten Rettungsnetzes für Wildkatzen. Seit 2004 arbeitet der
Naturschutzverband an dem Konzept zur Verbindung der über Deutschland verstreuten
Wildkatzenenklaven. Jenen Waldgebieten also, in denen sich entweder Restpopulationen
der einst in ganz Deutschland heimischen Felis Silvestris erhalten haben oder
die für eine Ansiedlung der scheuen Samtpfoten geeignet sind. Insgesamt 20.000
Kilometer soll das Wegenetz am Ende umfassen und damit den bei uns vom
Aussterben bedrohten Katzen, die noch bevor die Römer die ersten Hauskatzen
über die Alpen brachten, die Wälder Europas durchstreiften.
Wildkatzen stehen auf
der Deutschen Roten Liste der bedrohten Tierarten, Kategorie 2, stark gefährdet
Es sind nicht in erster Linie die Jäger, die in ihrem
Bedürfnis, ihr Revier von streunenden Hauskatzen frei zu halten auch schon mal
eine der scheuen Wilden erschießen. Schlimmer noch sind die Verluste, die die
Autos auf den Straßen, die Deutschlands Wildlebensräume wie Todesstreifen
durchschneiden, unter den derzeit rund 5.000 bis 7.500 verbliebenen einzelgängerischen
Waldfelinen verursachen. Die größte Gefahr aber besteht in der Unmöglichkeit des
genetischen Austauschs der voneinander isoliert lebenden Populationen, die zu
tödlicher Inzucht und genetisch bedingten Krankheiten führt. Mit der ersten
grünen Trasse wurde die Verbindung zwischen dem Hainich und dem Thüringer Wald
hergestellt. 2009 begannen die Naturschützer mit der Verbindung des Thüringer
Waldes und Hessen. Dabei ist die Einrichtung eines funktionierenden Wegenetzes
eine große Herausforderung.
Wildkatze als „Zielart“
des Naturschutzes
Im Informationszentrum des Wildkatzendorfes, der „Scheune“ erfährt
der Besucher alles über die faszinierenden Raubtiere und die einzelnen Aspekte,
die das Mammutprojekt beinhaltet. Denn damit die „Zielart“ Wildkatze, der
größere Bruder Luchs aber auch viele andere Tier und Pflanzenarten bis hin zu
Dachsen, Baummardern, bestimmten Vogel- und Fledermausarten die tödlichen
Zivilisationsschneisen überwinden können, ist es mit ein paar „Grünflächen“ und
Bäumchen pflanzen nicht getan. Die Wildkorridore, Grünbrücken oder -tunnel
müssen eine Bepflanzung aufweisen, die den jeweiligen Tierarten eine
angemessene Deckung bietet. Sie müssen zudem von Menschen weitestgehend
ungestört sein und vor allem die richtigen Streckenverläufe aufweisen und sichere
Rückzugsgebiete lückenlos miteinander verbinden. Und so gehört es zu den
zentralen Aktivitäten im Rahmen des Projektes, die Populationen ausfindig zu
machen und ihre Gewohnheiten und Bedürfnisse zu studieren.
Das Wildkatzendorf
ist immer einen Besuch wert
Von Kameras mit Bewegungsmeldern beobachtete baldriangetränkte
Lockstäbe lassen auch keine Wildkatze kalt. Und so liefert die
wissenschaftliche Arbeit zur Vorbereitung geeigneter Trassen in Form von Fotos
und Videos auch für den Besucher der Hütscherodaer Wildkatzenscheune faszinierende
Einblicke in das Leben der graubraunen Gesellen. In der erst im April 2012
eröffneten Schauanlage „Wildkatzenlichtung“ schließlich steht der Besucher schließlich
leibhaftigen Wildkatern Aug in Aug gegenüber. Zwei wilde Katerpaare aus Schweizer
Natur-und Tierparks leisten hier durch ihr selbstbewusstes Auftreten in „natürlicher“
Umgebung Überzeugungsarbeit für das deutschlandweite Wildkatzenprojekt.
Dessen Präsentation erschöpft sich aber nicht in der ganzjährig
geöffneten Scheune und Schauanlage. Der Besucher kann auf dem Wildkatzenpfad
und über Rangergeführte Wanderungen durch den natürlichen Lebensraum der Felis
Silvestris streifen. Sie selbst dürfte er dort nicht zu Gesicht bekommen, wohl
aber den ersten, 2007 gepflanzten Wildkatzenkorridor.
Fotos: Wolfgang Schwerdt, (Wildkatzenlichtung)
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