Bei den Kumpels abgemeldet
Zwei Monate waren vergangen und längst
kamen weder fremde Katzen noch Waschbären noch Igel, um sich ihren
Winterschlafspeck anzufressen. Denn es war schon Winter, Frost und erster
Schnee hatten schon Einzug gehalten und die kleine Sally irrte noch immer draußen
herum.
ein beliebter Aussichtsplatz von Sally |
Aber
immerhin akzeptierte sie inzwischen unsere Anwesenheit und wenn wir die Tür
nicht wieder verschlossen, dann kam sie auch schon für ein paar Minuten zu uns
ins Zimmer, um sich hier vorsichtig umzusehen. Und als sie sich dann auch schon
mal behutsam streicheln ließ, bevor sie wieder verschwand, wagten wir es, sie einzufangen
und wieder auf den Heuboden zu ihren Kumpels zurückzubringen.
Als hätte
die kleine Katze nicht schon genug durchgemacht, ereilte sie nun der nächste
Schicksalsschlag. Benno und Tinka hatten sich angefreundet und nach ihrer
langen Abwesenheit war Sally für die beiden nun eine fremde Katze geworden, die
in ihr Revier eindrang. Ganz praktisch bedeutete dies, dass Benno und Tinka die
kleine Schwarze so lange jagten und prügelten, bis sie sich in eine Ecke des Heubodens
verkroch und sich nicht wieder hervortraute. Zum Füttern mussten wir erst ihr
Versteck finden und die so lange vor den anderen beschützen, bis sie wenigstens
etwas von ihrem Futter vertilgt hatte. Und während die anderen beiden fröhlich
auf dem Heuboden herumtollten und Mäuse jagten, musste sich Sally irgendwelche versteckten
Gänge entlangschleichen, um von den Beiden nur nicht entdeckt zu werden.
Benno voller Übermut |
Also
beschlossen wir, die Situation grundlegend zu ändern. Alle Katzen konnten nun
den Heuboden verlassen (was sie inzwischen auch gerne taten) und sich auf dem
Hof herumtreiben. Und des Nachts konnte sich Sally in ein eigenes Zimmer, die
anderen beiden Katzen in unser Schlafzimmer zurückziehen. Auch wenn Sally bei
unglücklichem Aufeinandertreffen immer noch von den beiden gejagt und
verprügelt wurde, so gab es nun ausreichend Platz, um sich gegenseitig aus dem
Weg zu gehen. Und Sally hatte einen großen Vorteil: Sie kannte bereits jedes
Versteck auf dem Hof und sie hatte gelernt, die kleinsten Deckungen zu ihrem
Vorteil zu nutzen.
Tinka |
Im Grunde
begann für die drei nun ein goldenes Zeitalter. Die eigentliche Chefin des
Reiterhofes, die alte Katze Garfield, war weise und souverän genug, die
Jungspunde auf ihrem Hof zu dulden. Eine gelegentliche Zurechtweisung reichte
aus, um die drei aus dem Tierheim in ihre Schranken zu verweisen. Und Zurechtweisen
hieß: ein drohender Blick, ein gelegentliches Knurren und die Verhältnisse
waren geklärt.
Nando, der
alte Hofhund – ebenfalls Herr über das Anwesen und anerkannter Fremdkatzenjäger
– hatte die drei schnell als zum Hof zugehörig akzeptiert. Damit standen die Neuen
unter dem Schutz zweier wirklich cooler Typen. Wenn Nando nicht gerade wieder
auf Trebe in der Umgebung war, wagte es kein anderer Hund, auch nur eine Pfote
auf das Grundstück zu setzen – und Katzen schon gar nicht. Selbst angeleint und
unter Geleitschutz ihrer Herrchen taten Hunde gut daran, sich weitestgehend
unsichtbar zu machen. Denn auch wenn Nando unterwegs war, mussten sie noch an
Garfield vorbei, einer Katze, die selbst im hohen Alter noch einen jungen
Berner Sennenhund verprügelte, weil dieser ihr – einfach nur neugierig – mit seiner
Nase zu nahe gekommen war.
Der coole Nando |
Souverän
gegenüber Hunden waren unsere drei nicht gerade. Aber mit Garfield und Nando im
Rücken waren sie auf dem Hof sicher vor ihnen. Und so konnten sich unsere
Katzen aus dem Tierheim in jener goldenen Zeit ungestört auf dem Hof
herumtreiben, spielen, Abenteuer erleben – einfach Katze sein. Trotzdem musste
ich die kleine Sally immer mal wieder vor Benno retten, der sie nach wie vor
erbarmungslos jagte, wenn er ihrer ansichtig wurde.
Die souveräne Garfield |
Gut vier
Jahre waren inzwischen ins Land gegangen und das Verhältnis zwischen den Katzen
und uns hatte sich drastisch verändert. Während sie vor anderen Menschen immer
noch die Flucht ergriffen, konnten wir die drei nun sogar problemlos auf den
Arm nehmen. Selbst wenn sie das nicht wollten, die Krallen blieben nun
prinzipiell drinnen (es sei denn, es handelte sich um das bekannte genussvolle Treteln).
Sie hatten ein enormes Grundvertrauen zu uns entwickelt, das bis heute – trotz gravierender
Ereignisse, die bald folgen sollten - durch nichts erschüttert werden konnte.
Benno hatte eine besonders innige Beziehung zu meiner Frau aufgebaut, Tinka
hatte mich zu ihrem wichtigsten Menschen auserkoren. Und Sally, die innerhalb
des Hauses nach wie vor von den anderen getrennt gehalten werden musste, hatte
uns beide mit ihrer Zuneigung in Beschlag genommen.
Es folgt Teil 4: Das Ende des goldenenZeitalters
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