Die Notwendigkeit oder wenigstens Möglichkeit, Tiere als Personen und Persönlichkeiten zu betrachten wird derzeit heiß diskutiert. Dabei geht es nicht nur um Fragen des Tierschutzes oder des Tierwohls, sondern ganz grundsätzlich um unser Verhältnis zu nichtmenschlichen Tieren. Und dass die Antwort auf diese Frage vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir seit Jahrtausenden gewohnt sind, nichtmenschliche, aber auch menschliche Tiere zu nutzen, recht komplex und kompliziert ausfallen kann, versteht sich von selbst.
Ethische, moralische, juristische und praktische Aspekte des Personenstatus
Schon im ersten Aufsatz, in dem die Völkerrechtlerin Anne Peters die Notwendigkeit internationaler Tierrechte verhandelt, wird deutlich, dass es bei all den Fragen nicht zuletzt auch um Menschenrechte geht. Denn, so zeigt sie auf, die starre Trennung zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren kann zur Entmenschlichung von Randgruppen führen. Die folgenden Beiträge des ersten Abschnitts „Konzepte von Personalität in Recht und Ethik“ diskutieren die Relevanz der Personendefinition unter unterschiedlichen Aspekten. Dabei wird klar ist, dass nicht nur die Definition von Person, sondern auch der in diesen Begriff eingeschlossene Kreis von Lebewesen je nach Gesellschaftsform und kulturellen Hintergründen ganz unterschiedliche Auswirkungen auf Mensch und Tier haben kann. So fordert Agustin Fuentes einen „Belmont Report für Tiere“. Seit 1978 legt der sogenannte Belmont Report verbindliche Richtlinien für die Forschung am Menschen fest. Da auch Nichtmenschen Personen sein können, so Fuentes, müsse das dem Report zugrunde liegende Prinzip „Respekt für Personen“ in angemessener Form auch auf nichtmenschliche Tiere ausgeweitet werden. Spannend ebenfalls die Diskussion um den Begriff der Quasi-Person und nicht zuletzt die Einordnung des bürgerlichen Personenverständnisses als gewaltvoll und Legitimationsgrundlage für kapitalistische Produktionsprozesse.
Erlernte Verhaltensmuster gegenüber nichtmenschlichen Tieren
Der zweite Abschnitt „Mediale Konstruktionen von Personen in
Literatur, Hörspiel, Film“ liefert dem/der LeserIn ganz spannende und
unerwartete Perspektiven auf die Frage, warum wir uns mit Tierrechten so schwertun.
Besonders beeindruckend die Analyse von Maneke Bondzio Becker der Kinder- und
Jugendhörspiele aus der Reihe Die drei ???. Hier belegt sie anhand von
zahlreichen Textbeispielen, wie die handlungstragenden Tiere als Nichtpersonen
gehandelt und diese Idee gewissermaßen bereits in das Werteschema von Kindern und
Jugendlichen eingeschrieben und damit verfestigt und normalisiert wird. Auch
wenn die von den folgenden Autoren behandelten Filme und Romane nicht jedem/r
LeserIn geläufig sein dürften, die Auseinandersetzung mit dem Spielfilm Wild
und dem Roman Die Wand liefert eine Reihe von Denkanstößen und
Perspektiven zu kulturellen Vorstellungen der Mensch-Tier-Subjektpositionen.
Mit Kunst ganz nah an die tierliche Persönlichkeit
Im dritten Abschnitt widmen sich die Autoren Tierlichen Persönlichkeiten und AkteurInnen, nähern sich also anhand von „Franz dem Pferd“ oder dem Hund „Carlos von den Hügeln“, der sich als Künstlerpersönlichkeit und Person des öffentlichen Lebens einen Namen gemacht hat.
Wie in jeder Tierstudienausgabe werden auch diesmal künstlerische Beiträge zum Thema geliefert. Dabei geht es in sehr unterschiedlichen Projekten vor allem um die Darstellung von tierlichen Personen oder Tierpersönlichkeiten. Diese Projekte konfrontieren den/die LeserIn auf sehr greifbare, persönliche Weise mit dem Fakt, dass auch nichtmenschliche Tiere als eigenständige Persönlichkeiten darstellen, die sowohl untereinander als auch mit nicht artgleichen Individuen persönliche Beziehungen aufzubauen in der Lange sind. Das bezieht sich übrigens nicht nur auf die allseits bekannten Haustierpersönlichkeiten, sondern auch auf Individuen wilder Spezies, Herden- oder Schwarmtiere.
Alles in allem hat sich Tierstudien 25 wieder einmal einem spannenden, denkwürdigen und sicher auch anspruchsvollen Thema zum Mensch-Tier-Verhältnis gewidmet, bei dem allerdings, wie die Herausgeberin Jessica Ullrich in ihrem Editorial andeutet, nur ein Teil des thematischen Spektrums, behandelt werden konnte.
Eine persönliche Anmerkung zum Schluss: Bei manch einem Beitrag macht die übermäßige Verwendung einer spezifischen Fachsprache die Lektüre nicht nur für Nichtakademiker außerordentlich „Widerständig“. Das ist – wie andere Ausgaben der Tierstudien und auch Beiträge in Tierstudien 25 selbst sowie das Editorial belegen - nicht nur unnötig, sondern wird der Bedeutung der aufgegriffenen Thematik und dem interdisziplinären Anspruch der Tierstudien m.E. auch nicht gerecht.
Jessica Ullrich: Tierstudien 25. Personen und Persönlichkeit. Neofelis 2024. Taschenbuch 173 Seiten.
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