Wie sich Tiere unsichtbar machen
Die Evolution hat viele Facetten. Das beginnt bei der Entwicklung körperlicher Anpassungen an die jeweilige Umwelt, die am Ende zur Artenbildung führen, es führt über soziale Konzepte bis hin zur Ausbildung von Kultur und hört bei Verhaltensmustern, Reproduktionskonzepten oder Kommunikationsformen noch längst nicht auf. Zu allem Überfluss spielen in der Regel all diese Faktoren bei der Entwicklung von Leben und Lebensformen zusammen und überfordern aufgrund der damit verbundenen Komplexität die mentalen Kapazitäten des Menschen. Was liegt da näher, als sich mit einzelnen Aspekten der Evolution zu befassen und zu versuchen, diese in einen größeren Zusammenhang zu bringen. Einer dieser Aspekte ist die Tarnung, mit der sich der Fotoband „Wie sich Tiere unsichtbar machen“ beschäftigt.Unter dem Sinnesradar der Feinde und Opfer
Wer nun aber glaubt, dass Tarnung einfach nur in der optischen Anpassung an die direkte Lebensumgebung besteht, liegt weit daneben. Denn auch das beste Tarnkleid verfehlt seine Wirkung, wenn sein Träger sich unangemessen verhält. So wäre beispielsweise der Gespenst-Plattschwanzgecko, der aussieht wie ein vertrocknetes braunes Blatt sehr schnell Opfer seiner Fressfeinde, verhielte er sich nicht ruhig oder schwänge wie eben ein trockenes Blatt im Wind hin und her. Doch die optische Täuschung ist nur eine Technik von vielen, die besonders uns Menschen als Augenwesen beeindruckt. Die Wahrnehmungsstärken vieler Tiere liegen aber auf anderen Sinnen, wir Hören, Riechen oder Fühlen, also Schwingungen aufnehmen. Auch her hat die Natur eine ganze beeindruckende Instrumentenkiste entwickelt, die im vorliegenden Bildband vorgestellt werden.
Von der Schneeeule bis zum Fetzenfisch
Einhundert Tierarten werden dem/der LeserIn in diesem Buch mit 130 teilweise spektakulären Fotografien mit ihren Tarnkonzepten im Rahmen einer Reise durch die Kontinente und in die Ozeane präsentiert. Die Reihenfolge der jeweils vorgestellten Tiere folgt dabei der üblichen zoologischen Systematik, beginnt also bei den Wirbellosen, Fischen und Amphibien und geht bis zu den Reptilien, Vögeln und Säugetieren. Jeweils eine Seite Text vermittelt neben der wissenschaftlichen Beschreibung die spezifischen Artenmerkmale, das „Tarnkonzept“ in Zusammenhang mit der jeweiligen Umwelt bzw. den Lebensbedingungen und nicht zuletzt den Gefährdungsgrad laut Roter Liste. Mehr als ein Steckbrief pro Art ist damit nicht möglich, aber schließlich handelt es sich ja um einen Bildband, der allerdings dazu einlädt, sich mit dem Thema und den einzelnen Tierarten ein wenig mehr zu beschäftigen. Neben allgemein bekannten Tieren lernt der/die LeserIn aber auch Wesen kennen, von denen er möglicherweise noch nie gehört hat wie beispielsweise den oben angesprochenen Gecko oder den großen Fetzenfisch.
Tarnen, Tricksen, Täuschen
Insgesamt ein schönes Buch zum Anschauen und Wundern. Abgesehen von den eindrucksvollen Fotos haben mich dabei ganz besonders die ansonsten kaum beachteten „Wirbellosen“ fasziniert, die, wie beispielsweise die „Vogelschiss-Raupe“ oft besonders spannende Methoden und ganze Abwehrwaffen-Arsenale entwickelt haben, um ihren Fressfeinden zu entgehen.
Steve Parker: Meister der Tarnung. Wie Tiere sich unsichtbar machen. wbgTheiss 2022. Hardcover, 237 Seiten
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