Es war einmal ein Kater, der, wie jeder ordentliche Kater gerne durch die Gegend streifte. Abenteuer erleben war das Größte für den kleinen Kater. Und so war ihm keine Hecke zu dicht, kein Gestrüpp zu undurchdringlich. Denn dort raschelten und wuselten die Mäuse, die Vögel und allerlei anderes Getier. Und wenn der Kater von seinen Streifzügen zurückkehrte, ein wenig zerzaust und zerrupft, dann erzählte er seinen Menschen mit großem Mautzen und Schnattern von seinen kleinen und großen Abenteuern. Und die Menschen freuten sich und antworteten, vor allem aber wurde der Kater gebührend gelobt und gestreichelt. Aber irgendwie hatte der Kater das Gefühl, dass die Menschen gar nicht so richtig verstanden, was er ihnen erzählte, denn sie reagierten immer gleich. Ob er sich lautstark über ein anderes Katzentier, das in sein Revier eingebrochen war beschwerte, ob er ganz vertraulich über sein nächtliches amouröses Abenteuer schwatzte, oder ob er einfach nur erzählte, dass gar nichts los gewesen war, immer legten die Menschen das gleiche Verhalten an den Tag. Natürlich war es schön, gelobt und gestreichelt zu werden, aber der Kleine fühlte sich unverstanden.
Und so wagte er es schließlich dem Waschbären, dem er ansonsten vorsichtshalber immer aus dem Weg gegangen war, seine kleinen Geschichten zu erzählen. Der aber ließ ihm einfach links liegen, fauchte kurz und meinte dann, dass er Wichtigeres zu tun hätte, als Katerchens albernes Geplapper zu erdulden. Natürlich war der Kater beleidigt und ging von nun an dem Waschbären wieder aus dem Weg. Und beim Fuchs war es noch schlimmer. Der hörte sich Katerchens Geschichten an, die vor allem davon handelten wie er ein besonders listiges Mäuschen gefangen oder ein junges Karnickel verschleppt hatte. Als Katerchen aber schließlich eine kleine Pause einlegte, da sprach der Fuchs mit lauerndem Gesichtsausdruck.
"Interessant, interessant, deine Geschichten. Mäuse und Kaninchen sind auch meine Lieblingsspeise. Aber ich will Dir mal erzählen, was ich mache, wenn die Nahrung im Winter knapp wird und meine Kleinen vor Hunger schreien. Dann mache ich Jagd auf fette Hauskatzen wie dich."
Von da an ging der Kater auch dem Fuchs wieder aus dem Weg. Und irgendwie hatte er auch vergessen, beleidigt zu sein.
Eines Tages, der Kater war gerade wieder in eines seiner kleinen Mäuseabenteuer vertieft, da zog ein gewaltiges Gewitter auf. Waschbär und Fuchs waren längst in ihrem sicheren Bau verschwunden, aber für Katerchen war es zu spät, nach Hause zu laufen. Er hätte sowieso nicht laufen können, denn seine Beine versagten ihm vor Angst den Dienst. Und so saß er mit schreckgeweiteten Augen, der Ohnmacht nahe unter einem Busch, der zwar einigermaßen Schutz vor dem Hagel, kaum aber vor dem folgenden Platzregen bot. Die Blitze zuckten um den kleinen Kerl herum und das Krachen und Donnergrollen ließen den Kater jedes Mal heftig zusammenzucken. Der Kleine wäre fast gestorben vor Angst, wäre er nicht schließlich in einen tranceartigen Zustand verfallen. Der Kater begann zu träumen. Er träumte, ein gewaltiges Untier komme auf ihn zu, mit donnerndem Gebrüll und riesigen blitzenden Augen. Und er, der Kater, er war bereit, sein größtes Abenteuer zu bestehen. Er stand auf, machte einen Buckel, so dass er wuchs und wuchs, bis er so riesig und gewaltig wurde, dass er dem donnernden Ungeheuer ebenbürtig war. Und dann stimmte er seinen Kampfgesang an. Zunächst ein dumpfes Grollen nur, dann ein Gebrüll, dass die Stimme des Untieres darin unterging. Und wenn der Kater mit seinen gewaltigen Tatzen auf den Boden stampfte, dass es donnerte, dann bebte der Boden. Das Untier wurde immer kleiner, leiser. Und als der kleine Kater aufwachte und vorsichtig seine Nase unter dem schützenden Schwanz hervorzog, da war das Unwetter verschwunden. Lediglich ein leichter Nieselregen und große Wasserpfützen kündeten noch von dem Unwetter.
Als Fuchs und Waschbär ihren Bau verließen, da stand der kleine Kater völlig durchnässt aber stolz und selbstbewusst da. Und Fuchs und Waschbär wussten, er hatte dem Unwetter standgehalten, während sie in ihrem sicheren Bau lagen. Was für ein Kerl. Und Katerchen wusste es noch besser. Er hatte das gewaltige Untier besiegt!
Seit diesem Tag hatte der Kater es nicht mehr nötig, allen von seinen kleinen Abenteuern zu erzählen. Stolz setzte er sich stundenlang mitten auf die kleine Lichtung, träumte von seinem größten Abenteuer und Fuchs und Waschbär gingen ihm geflissentlich aus dem Weg.
Aus dem Buch:
Wolfgang Schwerdt: Mit Katzenaugen
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