Samstag, 20. Januar 2024

Mehr als nur ein Schiff


Meine Steve Irvin

Es war der 29. Juli 2018, als ich ihn entdeckte. Der Modellbaubogen aus dem Hamburger Modellbaubogenverlag (HMV) lag einigermaßen versteckt unter dem "Kram" eines Flohmarktstandes. Als begeisterter (dilettierender) Gelegenheits-Schiffsmodellbauer hatte ich ihn sofort erspäht, ergriffen und angesichts des wirklich günstigen Preises sofort erstanden. Vielleicht hätte ich es gar nicht getan, wenn es nicht für einen guten Zweck gewesen wäre. Denn ich hätte nicht damit gerechnet, irgendwann einmal genug Zeit (und auch Platz) zu finden, um mich dem Bau dieses legendären Schiffes aus der Sea Shepherd-Flotte zu widmen.

Arten- und Tierschutz kann so vielfältig sein

Einen Beitrag für den guten Zweck hatte der Bogen bereits bei seinem Kauf durch den ursprünglichen Besitzer geleistet, denn unter dem Titel „Build and support“ war 2014 im HMV mit der „Steve Irvin“ 2014 das erste (und bislang übrigens auch letzte) Kartonmodell eines Schiffes der Sea Shepherd Flotte erschienen. Vom Erlös spendete der Verlag einen großen Teil direkt an Sea Shepherd zur Unterstützung der Kampagnen zur Rettung der Wale und anderer Meeresbewohner und der Ozeane.

Das Geld, das ich im Rahmen des Erlebnistages auf dem Wilde Hilde Lebenshof am 29.07.2018 auf dem Flohmarkt für den Bogen ausgegeben habe, kam nun in voller Höhe dem gemeinnützigen Verein zugute, der den Hof betreibt. 2013 hatte der „White Paw Organisation e.V.“ mit der Rettung sogenannter Nutztiere begonnen, um ihnen ein artgerechtes Leben bieten zu können. Zu den ersten Rettungen gehörte auch die Kuh Hilde, der der Hof seinen Namen verdankt. Ganz ohne Zweifel ein spannendes und unterstützenswertes Projekt, das wir im Rahmen des Erlebnistages persönlich in Augenschein nehmen durften. Heute finden auf dem Hof und seinen ausgedehnten Weiden 119 Rinder, 12 Schweine, 12 Schafe, 2 Ziegen, 3 Pferde, 18 Gänse, sowie Hunde ein artgerechtes liebevolles Zuhause. Die meisten der Tiere stammen aus schlechter Haltung und/oder wurden vor dem Schlachter und damit vor dem sicheren Tod gerettet.

Ein Veteran der Direkten Aktion

Immerhin, am 2. Januar 2019 konnte ich auf Facebook bereits folgendes vermelden: „Hallo, nach ein paar Tagen digitaler Abstinenz melde ich mich mal ganz zögerlich wieder zurück. Hab die Zeit sinnvoll verbracht und angesichts der jüngsten Entscheidung Japans, den Walfang wieder aufzunehmen, am Modell der Steve Irvin von der Sea Shepherd-Flotte gebastelt. Sieht fast fertig aus, gibt aber noch eine Menge daran zu tun.“

 

Zur fertigen "easy to built"-Version fehlen nur noch ein paar Kleinigkeiten

2019 war auch das Jahr, an dem das MV Steve Irvin aus der Sea-Shepherd-Flotte ausgemustert wurde. KapitänPaul Watsons „Nachruf“ könnt ihr hier nachlesen.

Bereits 1975 wurde die heutige „Steve Irvin“ als schottisches Fischereischutzboot „Westra“ in Dienst gestellt. 2005 erwarb Sea Shepherd das Schiff und stellte es nach umfassenden Umbauten unter dem Namen „Robert Hunter“ 2006 als „Waffe im ökologischen Krieg“ in Dienst. Rund 18 Kampagnen führten das Schiff, das 2007 zu Ehren des legendären Dokumentarfilmers in „Steve Irwin“ umgetauft wurde, zweimal um den Globus. 2018 fiel die Entscheidung, das Schiff nach nunmehr insgesamt 43 Dienstjahren zu verschrotten, 2019 fand sich mit der Nichtregierungsorganisation ship4good allerdings ein neuer Besitzer. 2020 wurde dem Öko-Veteranen vom Australian Maritime Museum Status eines historischen Schiffes verliehen, dient nun als Museumsschiff und Veranstaltungsort in Melbourne und ist zu einem Symbol für das Konzept des „aggressiven legalen Widerstands“ gegen illegale Handlungen auf See. Kern dabei sind Taktiken der Direkten Aktion, um Meerestiere auf der ganzen Welt vor Wilderei, nicht nachhaltiger Fischerei und ausbeuterischer Gefangenschaft zu schützen.

Das reale Motorvessel Steve Irvin 2014 in Melbourne

Nick-D, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

 

Sea Shepherd im Wandel!?

Die Geschichte dieses Widerstandes am Leben zu halten, erscheint angesichts des aktuellen Richtungsstreits innerhalb der komplexen Sea-Shepherd-Strukturen auch besonders wichtig. Denn vor allem die Niederlassung in den USA mit ihrem Chef Pritam Singh scheint aus der Organisation von entschlossenen Ökoaktivisten eine maritime Forschungseinrichtung machen zu wollen. Geschichte wiederholt sich, könnte man meinen. Denn Sea Shepherd Mitgründer und „Steve Irvin“ Kapitän Paul Watson hat – aus dem Direktorium des Sea Shepherd Global ausgeschieden – inzwischen eine neue Organisation gegründet. Nicht das erste Mal!

„Sea Shepherd wurde 1977 von Paul Watson gegründet, nachdem er die wenige Jahre zuvor gegründete Umweltschutzorganisation Greenpeace, zu deren ersten Mitgliedern er gehörte, im Streit verlassen hatte. Bei einem Protest gegen die Robbenjagd 1977 auf dem Eis vor Kanadas Küste hatte Watson die erbeuteten Felle und den Knüppel eines Robbenjägers ins Wasser geworfen. Es kam daraufhin innerhalb der Organisation zum Streit um den Einsatz von Gewalt, in dessen Folge Watson Greenpeace verließ.“ (Wikipedia)

Trotz allem sind die Hintergründe der internen Auseinandersetzung innerhalb der Sea Shepherd- Strukturen noch unklar. Fest steht jedoch: Paul Watson, seine neue Captain PaulWatson Foundation und einige Sea Shepherd Landesorganisationen, darunter die Deutsche, stehen weiterhin für das Konzept der „aggressiven Gewaltlosigkeit“ und Direkten Aktionen.

Nachlese

 Gestern ist mein Modell der MV Steve Irvin endlich fertiggeworden und ich darf betonen, dass sich das „Easy to built“ lediglich auf die Basisversion bezieht. Für die detaillierte Version ist dann schon eine gehörige Portion Feingefühl, Fummelei, herzhaftes Fluchen und die eine oder andere Übersprunghandlung angesagt, wenn sich eines der teils nur wenige Quadratmillimeter großen Papierteilchen selbst dem beherzten Griff einer Pinzette entzieht oder überall, nur nicht am vorgesehenen Platz festklebt. Alles in allem glaube ich aber, dass mein MV Steve Irvin, wenn auch nicht zu 100% mit allen Details ausgestattet, für meine persönlichen Fähigkeiten - meine Hände sind längst nicht mehr so ruhig und meine Augen trotz Brille nicht mehr so scharfsichtig wie früher - doch recht gut gelungen ist. Wichtiger als ein absolut perfektes Modell ist mir ohnehin das, was es in ganz verschiedener Hinsicht jeweils repräsentiert.

Knapp 10 Jahre ist der Modellbaubogen nun schon alt und seit 2020 wird er nicht mehr aufgelegt. Daher habe ich beim HMV hinsichtlich des Projektes „build and support“ nachgefragt und von Benjamin Fentes, dem HMV-Bogendesigner, folgende vielversprechende Antwort erhalten:

„ … der Plan war, weitere Schiffe der Sea Shepherd Flotte herauszubringen. Die neuere Entwicklung war aber leider schon damals abzusehen und inzwischen sind die schönen Schiffe ja alle verschrottet worden und die Ausrichtung der Organisation hat sich geändert. Wir sind im Gespräch mit Paul Watson, dem ursprünglichen Sea Shepherd Gründer, der inzwischen eine neue Organisation aufgebaut hat oder aufbauen musste, die dort weitermacht, wo Sea Shepherd aufgehört hat. Kann gut sein, dass wir in dieser Hinsicht demnächst etwas anzukündigen haben.“

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