Wie sie erst uns und dann die Welt eroberten
Während die großen und wilden Vertreter der Katzen zunehmend von Aussterben bedroht sind, scheint der Siegeszug der Hauskatzen sowohl hinsichtlich der Eroberung des globalen Territoriums als auch der menschlichen Herzen ungebremst. In ihrem Buch Katzen. Wie sie erst uns und dann die Welt eroberten, deckt die amerikanische Autorin Abigail Tucker das Geheimnis der Samtpfoten auf.Flauschige Terroristen
Natürlich finden sich in den Ausführungen der selbst den Katzentieren verfallenen Autorin viele Klischees, viel Bekanntes, und viel Kontroverses. Und das ist vielleicht eines der Geheimnisse des Buches, das einerseits Erwartungen des/der LeserIn hinsichtlich der Charakterisierung des geliebten Katzentiers erfüllt, andererseits ein doch recht finsteres, bedrohliches, geradezu skrupellos-machtbesessenes Bild der Samtpfote zeichnet. Tatsächlich überwiegt letzteres sogar, was sowohl zum Widerspruch als auch zum Nachdenken anregt.
Die Hauskatze als biologische Waffe
Man kann der Autorin nicht vorwerfen, ihre Ausführungen zur Welteroberung der Hauskatzen auf Kosten des freien Willens des Menschen und zu Lasten des ökologischen Gleichgewichts nicht hinreichend unterfüttert zu haben. Immerhin verarbeitet sie zahlreiche wissenschaftliche Studien über die hauskatzenbedingte Ausrottung indigener Arten durch Jagdverhalten, Toxoplasmose-Übertragung, Reproduktionsgeschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit. Und selbstverständlich stellt sich hinsichtlich der Tatsache, dass der ökonomische Nutzen der häuslichen Samtpfote recht beschränkt und auch die vielbeschworene Nützlichkeit bei der Nagerkontrolle auch für frühere Zeiten bezweifelt werden darf, die Frage, wie es der Katze gelungen ist, den Menschen um die Pfote zu wickeln.
Die andere Seite der Medaille
Doch Abigail Tucker zeigt auch eine andere Seite der Geschichte, die bei genauem Lesen zwischen den Zeilen darauf hindeutet, dass die Antwort auf diese Frage wohl eher nicht in der vermeintlichen Selbstdomestikation oder strategischen Vorgehensweise der Hauskatzen, sondern in der menschlichen Psyche zu finden ist. Die wird dem/der Leserin besonders präsent, indem die Autorin die Vereine ihres Heimatlandes vorstellt, die in amerikanisch-hysterischer Manier über die Fragen von Schutzbedürftigkeit von wildlebenden Hauskatzen, vermeintlichem „Genozid“ durch Sterilisierungsaktionen und andere Fragen mehr, in beinahe schon religiösem Eifer mediale Macht organisieren und politischen Einfluss nehmen. Und auch das übersteigerte menschliche Selbstdarstellungsbedürfnis auf Rassekatzenschauen lässt sich sicher nicht als Teil einer gezielten Weltherrschaftsstrategie der auch historisch immer überwiegend als Objekt missbrauchten „Stubentiger“ interpretieren.
Diskussionsbedarf über die Katze hinaus
Wie bereits erwähnt, das Buch mit dem spektakulären Titel und den vielschichtigen Informationen produziert nahezu zwangsläufig Kontroversen und bleibt klugerweise eine abschließende Antwort schuldig. Insofern stellt es eine unterhaltsame, fundierte und wichtige Grundlage zu Diskussionen um Artenschutz, Tierwohl, Tierschutz und eben auch generell das Mensch-Tier-Verhältnis dar. Dass (nicht nur) Hauskatzen sowohl als Charaktere als auch Prädatoren eine besondere Spezies sind, versteht sich von selbst.
Abigail Tucker: Katzen. Wie sie erst uns und dann die Welt eroberten. Wbg Paperback 2022. 304 Seiten.
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