Wie die
Katzen erst uns, und dann die Welt eroberten
Bei
genauerer Betrachtung scheint es kaum etwas zu geben, das für unsere Liebe zu
den schmusigen Fellträgern spricht. Aber obwohl die Autorin Abigail Tucker in
ihrem Buch mit kritischen, ja problematischen, oft genug erschreckenden
Tatsachen über unsere Stubentiger nicht spart, führt die Lektüre am Ende wohl
kaum zu einer Änderung der Einstellung von Katzenliebhabern. Und das hat, wie
die Autorin mit einer ausgeprägten Schwäche für Katzen ebenfalls vermittelt,
seine guten Gründe.
Vor
Millionen von Jahren, als der Mensch noch in den Weiten Afrikas um sein
Überleben kämpfte, wäre ihn die Vorstellung eines Schoßkätzchens wohl kaum in
den Sinn gekommen. Und noch vor rund 11000 Jahren gehörten die Mitglieder
unserer Spezies zur Beute der gewaltigen Säbelzahnkatzen und ihrer modernen
Artgenossen. Mit der Sesshaftigkeit und
Entwicklung der menschlichen Zivilisationen wurde es jedoch für die mächtigen
Raubtiere eng auf diesem Planeten. Nicht erst seit dem 19. Jahrhundert, sondern
bereits in ägyptischer Zeit, gerieten die Großkatzenpopulationen unter Druck.
Ägypten verlor nach und nach den größten Teil seines Löwenbestandes, die Römer
jammerten schon 325 vor Christus, dass die für die Schlachtfeste in den Arenen benötigten
Großkatzen rar wurden und bereits vor Ankunft der Europäer hatten die Herrscher
Indiens den Tigern durch Abholzen der Wälder den Lebensraum streitig gemacht.
Katzen als Anpassungskünstler
Während, wie
Tucker anschaulich beschreibt, vor allem die großen ausschließlich Fleisch
fressenden wilden Spitzenprädatoren den Überlebenskampf gegen den Menschen weitgehend
verloren haben und nach und nach aussterben werden, hat Katzenfamilienmitglied Felis
silvestris catus, also die Hauskatze, längst die Welt und die Herzen der Menschen
erobert. Dem Abkömmling der Lybischen Falbkatze ist dabei eine gewaltige
Anpassungsleistung gelungen. Innerhalb von nur gut 10.000 Jahren hat die
Wildkatze – ohne dass der Mensch hier züchterisch nahegolfen hätte - ihre
Verhaltensweisen nicht nur auf die neuen Bedingungen der Kulturlandschaften,
sondern auch der Menschen selbst abgestimmt. Als Nutztier völlig ungeeignet, so
die Autorin, hat es die Katze geschafft, sich dem Menschen zumindest emotional unentbehrlich
zu machen. Tatsächlich ist wohl neben der besonderen körperlichen Grundausstattung,
die Anpassungsfähigkeit eine besondere Stärke der Familie der Felidae.
Allerdings ist dies in der Regel mit der Spezialisierung auf bestimmte und eben
schwindende Lebensräume verbunden, wie Tiger, Schneeleopard oder Pallaskatze
belegen.
Wegen ihrer angeborenen Kühnheit zur
Hauskatze geworden
Auch die
Hauskatze hat sich auf einen Lebensraum spezialisiert, den des Menschen. Ohne
dabei die Gene und Fähigkeiten ihrer wilden Vorfahren verloren zu haben, ist
sie damit für die Weltherrschaft prädestiniert. Nachdem die Autorin den Leser
über die Faszinierende Katzenfamilie im Allgemeinen und die
Selbstdomestizierungsleistung der Hauskatze im Besonderen informiert hat, geht
sie den Fragen nach, wie dies eigentlich gelingen konnte und welche Folgen der
Siegeszug der Stubentiger hat. Voraussetzung für die Selbstdomestizierung der
Lybischen Falbkatze ist wohl die „angeborene Kühnheit“, die besonders
draufgängerische Exemplare dazu brachte, direkt in unseren Lebensraum
einzudringen und ihn unter anderem zwecks bequemer Nahrungsbeschaffung in
Besitz zu nehmen. Es ist hochinteressant, den Reisen der Autorin in die Welt
der Wissenschaft zu folgen und zu erfahren, was für erstaunliche Entwicklungen
die Selbstdomestikation der Katze bei den Samtpfoten zur Folge hatte. So zum
Beispiel die für uns heute selbstverständliche und gleichermaßen problematische
Reproduktionsrate. Hauskatzen sind ganzjährig fruchtbar und vermehren sich wie
Karnickel, ein Umstand, der nicht nur das Katzenelend in unseren Städten und
Dörfern verursacht.
Spitzenprädator und ökologischer Schädling
Geradezu
erbittert stehen sich Katzenfreunde und –feinde gegenüber, wenn es um die Frage
der Biodiversität geht. Katzen rotten aufgrund ihres unbändigen Jagdtriebes die
heimischen Singvogelpopulationen aus, heißt es und insbesondere Studien aus
Amerika scheinen dies zu belegen. Unglaubliche Zahlen kursieren da, viele davon
sind eher spekulative Hochrechnungen als reale Erhebungen. Trotzdem hat die
Verbreitung der Hauskatze über die ganze Welt für die Faunen einiger
Lebensräume verheerende Folgen. Tatsächlich sind insbesondere dort, wo
Spitzenprädatoren eigentlich unbekannt sind den vom Menschen eingeschleppten Hauskatzen
zahlreiche einheimische Spezies zum Opfer gefallen. In Australien
beispielsweise gelten die Katzen als größere Bedrohung für die heimische Tierwelt,
als der Klimawandel. Vor allem die Ökosysteme von Inseln können durch Hauskatzen
erheblich bedroht sein. Dabei geht es nicht nur um Inseln im Meer, sondern auch
um durch Kulturlandschaften, Städte und Verkehrswege zergliederte natürliche Lebensräume.
Von Katzenliebe zur Katzenhysterie
Abigail
Tucker lässt kaum ein Thema aus, das Katzenfreunde zum Nachdenken bewegen
könnte. So widmet sie eines ihrer immer auch unterhaltsam geschriebenen Kapitel
der Katzenmafia, jenem Konglomerat aus Tierschutzorganisationen und privaten
Initiativen, das einen erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung
auszuüben in der Lage ist. Dabei diskutiert sie auch die Problematik von Kastrationsprogrammen
oder Futterstellen, die bei uns inzwischen zum Credo des Katzenschutzes
gehören. In diesen Zusammenhang sei auch erwähnt, dass die Autorin vor allem
die Situation in den USA zur Grundlage ihrer Ausführungen macht. Dabei wird
auch deutlich, dass sich in Übersee vieles hinsichtlich Mentalität und
Organisationsstrukturen von unserer Gesellschaft unterscheidet. Das gilt
sicherlich auch für die Katzenhysterie, die in vielerlei Hinsicht in den USA
ausgeprägter und bunter ist als hierzulande. Da geht es natürlich um
Katzenfutter, Katzenmöbel und Zubehör, Katzenzucht und Rasseausstellungen. Auch
hier belässt es die Autorin nicht bei der oberflächlichen Beschreibung, sondern
vermittelt ebenfalls hochinteressante Hintergründe.
Toxoplasmose: Eine biologische Waffe der
Katze?
Toxoplasmose
ist ein weiteres Stichwort, das durchaus im negativen Sinne mit unseren
geliebten Samtpfoten verbunden ist und zu mach Verunsicherung führt. Bei diesem
Thema geht es der Autorin jedoch nicht nur um die möglichen Gefahren für den
Menschen, sondern auch um die Ursprungsfrage: Warum funktioniert das
Katzen-Mensch-Verhältnis bei aller Gegensätzlichkeit so gut? Eigentlich hält
die Autorin die These, dass das Toxoplasmosevirus dafür sorgt, dass sich der
infizierte Mensch zum ja recht unnütze Katzentier hingezogen fühlt, für recht
weit hergeholt. Und dann erfuhr sie bei ihren Recherchen zum Thema, dass sich
auch in den alten ägyptischen Mumien das Toxoplasmosevirus fand . . . ..
Tucker
handelt ein breites hauskatzenrelevantes Spektrum ab und unterscheidet sich
dabei nicht nur durch den humoristischen Stil von anderen Werken, die die
Kulturgeschichte der Hauskatze zum Thema haben. Am Ende jedenfalls folgt sie
den geliebten Samtpfoten auch noch ins Internet und spekuliert über die Zukunft
der entwicklungsgeschichtlich ja noch recht jungen Hauskatze. An ihrer
Zuneigung zu den häuslichen Spitzenprädatoren hat sich trotz teilweise
erschütternder Erkenntnisse nichts geändert. Bei mir übrigens auch nicht. Ein
tolles Buch.
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